Ich kann nur sagen: Bin ich froh, dass ich da bin. Ich hatte mich sehr auf den Start der Fortbildung für Biographiearbeit gefreut, die ich mit Senioren spätestens ab Herbst 2014 anbieten möchte. Bislang dachte ich eher daran, das als Basis für die Arbeit mit Alzheimer- und Demenzpatienten in Verbindung mit Validation zu machen. Das ist mir noch immer sehr, sehr wichtig, aber nach dem ersten Kurstag hab ich heute eine entscheidende Lektion gelernt. Biographiearbeit ist mehr. Es geht nicht darum, Ihnen, meine lieben älteren Herrschaften Material und Ideen in die Hand zu geben, um Sie in Ihren Erinnerungen graben zu lassen. Es ist natürlich ein Teil, ja, und der ist wichtig, denn natürlich hat man belastende Dinge und Schicksalsschläge erfahren (müssen), die man vielleicht nicht wahrhaben möchte, verdrängt, aber spätestens im Alter schlagen sie sich durch. Und sich dann damit auseinandersetzen zu MÜSSEN, ist ein sehr schmerzhafter Prozess für alle Beteiligten.
Sich bereits zu einem Zeitpunkt damit auseinander zu setzen, an dem man bereit ist, es zu tun, macht es leichter. Wichtiger ist für mich heute aber die Erkenntnis, und damit auch für SIE, dass Biographiearbeit etwas ganz Wesentliches erreicht. Es ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. IHRE Vergangenheit, IHRE Gegenwart und vor allem IHRE ZUKUNFT. Nur wer versteht und akzeptiert, was ihm im Leben widerfahren ist und wohin es einen gebracht hat, der tut sich dank erlebter Biographiearbeit auch leichter, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Wer bin ich? Wo will ich noch hin? Wo will ich noch meine Spuren hinterlassen?
Heute gibt es auch keinen geregelten Übergang mehr. Kindheit, Arbeit, Alter, aus. Heute gibt es ein 3. Lebensalter, in dem man vielleicht sogar nochmals bereit ist, was zu wagen (UND BITTE schütteln Sie nicht den Kopf?! Was ich? Ich soll etwas wagen, in meinem Alter? JA, bitte TUN Sie es. Wer sonst? Übrigens habe ich eine schöne Reportage über eine rüstige Dame zuhause auf meinem Schreibtisch vorbereitet, die eine Autotour rund um die Welt ... na, warten Sie`s einfach ab.
Also, im 3. Lebensalter muss der eine oder andere wegen der Mindestpension, mit der man gerade mal der Katze noch was kaufen kann, auskommen und sucht einen Nebenjob. Nachdem er lange Jahre bereits gearbeitet hat, damit er später mal was hat.
Und dann gibt es noch ein 4. Lebensalter - das, in dem man dann wahrscheinlich eher nur noch die Bewältigung des Alltags im Sinn hat.
Also. worauf warten Sie? Ich setze Ihnen keine Flausen in den Kopf, mitnichten. Aber ich ermutige Sie, sich nicht darauf zu beschränken, das Leben an sich vorüber zu ziehen. Viele Pensionisten beginnen ein Studium, reisen oder bilden sich weiter. Erlernen ein Hobby, für das sie früher nicht mal Zeit hatten oder es war nicht üblich , das man als Frau das macht - oder als Mann. Es gibt auch vieles, was nicht teuer ist. Mit den Nachbarn plaudern, mit anderen Seniorinnen treffen für einen gemeinsamen Kaffeeklatsch oder eine Fahrt ins Museum, ins Bad, zum Friseur. Egal was, wichtig ist, dass Sie es tun. Raus an die frische Luft, unter Menschen - das Leben mit all seinen Zutaten erfahren und spüren und riechen.
Als ich heute früher anreiste, genoss ich die Zeit hier im Bildungshaus Schloss Puchberg. Das ist ein Renaissance-Schloss und Sie wissen ja, ich als historische Romanautorin ... aber als ich ankam, blieb mir das Herz stehen. Es sieht sooo wunderschön aus. Die Kamera rotierte und ich mich. Es beflügelt mich hier zu arbeiten und zu lernen und ich denke, das will ich mir auch fürs Alter bewahren. Die Neugier auf Begegnungen, Erfahrungen. Eben erzählte ein Teilnehmer, der um die 55 Jahre alt ist, dass ihm jemand mal gesagt hat, er wäre ein Brückenbauer. Wissen Sie was? Mir wurde es ums Herz ganz warm, weil ich schon nach der ersten Pause wusste, dieses Seminar hier ist mein Ding. Für Sie. Und ich dachte, ich möchte gern dieser Brückenbauer sein. Für Sie. Gehen Sie hinaus. Machen Sie LIMA, machen Sie Bewegung, indem Sie jeden Morgen die Zeitung selbst in der Trafik abholen, aber hören Sie, solange es gesundheitlich geht, nicht auf zu LEBEN.
LASSEN SIE MICH IHR BRÜCKENBAUER SEIN ...
In diesem Sinne wünsch ich allen eine erholsame, gute Nacht. Ich arbeite meine heutigen Notizen noch durch und freue mich auf den morgigen 2. Seminartag. Gierig wie ein Schwamm sauge ich alles auf, damit ich meinen Senioren möglichst viel an Hilfestellung fürs Erinnern und Finden für neue Pläne geben kann.
Alles Liebe
Ihre
Manuela
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